Pflegeeltern oder Pflegefreunde?
Gestern hat mich das Teehaus gefragt, ob ich ihm noch böse sei.“ Nein, habe ich geantwortet, nur traurig.“ Es war aber auch ein Schreck für mich, das muss ich euch unbedingt erzählen.
Wir waren, wie so oft, beide in Streit geraten. Das Teehaus hat mit seinen Veranstaltungen geprahlt, die seit dessen Fertigstellung dort stattfinden. Es fühlt sich als Hochzeit Palast und es erfährt alles, was darin gesprochen wird.
„ Meine Pflegeeltern erzählen mir auch alles was so passiert“, habe ich ihm trotzig entgegnet und ich spürte seine spöttischen Blicke.
„ Was denn für Pflegeeltern, die gibt es doch nur bei Menschen?“
Ich spannte vor Aufregung meinen Putz soweit auf, dass meine Haut einige Risse mehr bekam. Das war dem Teehaus nicht entgangen und es versuchte mich zu beruhigen.
Das Teehaus erzählte mir von einer Unterhaltung, die es bei einer Hochzeitfeier mit angehört hat.
Zwei ältere Menschen hatten im Fernsehen einen Film gesehen und regten sich über ein Kind auf, das im Babyalter zu Pflegeeltern gekommen ist. Nach vielen sorgenfreien Jahren, sucht nun das Kind nach seiner leiblichen Mutter und das fanden diese Beiden, als undankbar.
Also sind Pflegeltern nur zwei Personen. Ich kam ins Grübeln. Meine Pflegeeltern vom Teehaus sind aber sieben. Es war das erste Mal, dass wir beide uns so lange unterhalten haben.
Ich versuche einfach das zu sortieren, was es von den Menschen erfahren hat und ich in meinem 300 jährigen Gedächtnis speichern konnte.
Was ich für meine Pflegeeltern gehalten habe, sind Ehrenamtliche. So werden die Menschen genannt, die sich bemühen etwas unentgeltlich zu verändern, andere zu unterstützen, Freude zu verbreiten und letztendlich, mich am Leben zu erhalten.
Nun kommen meine Erinnerungen wieder. Viele Menschen standen im September 2012 auf den Wegen unseres Barockgartens und lauschten den Worten eines Mannes.
Dieser zeigte mit seinen Fingern zu dem Garten, dem Teehaus und der Orangerie. Er hat zu den anderen Menschen gesagt, „ ohne die Ehrenamtlichen könnten viele Projekte nicht verwirklicht werden, wäre unser Leben um vieles ärmer.“ Dann drehten sich die Menschen zu mir um und schauten mich mitleidig an.
Später erst habe ich erfahren, dass das der Oberbürgermeister war, ein Rang, wie unser ehemaliger Herzog, den ich noch sehr gut in Erinnerung hatte.
Ich habe vom Teehaus noch viele andere Dinge erfahren, die ich bis dahin noch nicht kannte.
Ehrenamtliche sind zwar bereit sich unentgeltlich einzubringen, haben aber selbst kein Geld dafür.
Ich wurde schon wieder ängstlich. Da wird es wo mit meinen Operationen gar nichts?
„ Mach dir keine Sorgen, Portali. Du bekommst schon die besten „ Ärzte“.
Es werden dir viele Menschen mit ihrem Geld helfen, sie müssen nur von deiner Krankheit erfahren. Viele wissen nicht, wie schlecht es wirklich um dich steht.“
Das Teehaus war mit seinen tröstenden Worten, gar nicht zu bremsen.
Ihm und der Orangerie ist es ja ähnlich ergangen und es waren keine anderen Menschen als die, auf die ich nun hoffen darf.
Jetzt ging es mir schon wieder wesentlich besser. Ich habe auch keine Angst vor den Schmerzen, die ich bestimmt ertragen muss. Mein Freund der Baum hat ja auch nicht gejammert, als die Säge durch seinen Stamm fuhr.
„ Weißt du schon welche Operationsmethode bei dir angewendet wird“? Das Teehaus schaut mich fragend an.“ Ich konnte dem nicht folgen. „ Na, wollen die dich radikal behandeln? Abriss und Neuaufbau, oder Verpflanzungen einzelner Körperteile?
Seine Fragen machten mich nachdenklich. Erst jetzt konnte ich die Gespräche der Menschen verstehen, die neulich an meiner Haut herum klopften. „ Das Beste ist, man reißt Portali ab und baut es neu auf, das wird wesentlich billiger:“
Der Mann, blickte vielsagend in die Runde der anderen Menschen, deren abschätzenden Blicke mich erschauern ließen.
„ Dann ist Portali aber nicht mehr 300 Jahre, für die Nachwelt zwar schön anzusehen, aber nicht mehr es selbst. Die Untersuchungen müssen ergeben was richtig und falsch ist.“
Ich schaute bewundernd und zuversichtlich auf einen jüngeren Mann, der das sagte. Man hat doch das Teehaus und die Orangerie auch nicht abgerissen und neu aufgebaut?
Ich fühlte mich von ihm verstanden. Wenn es nach mir ginge würde ich eine Hautverpflanzung vorziehen, so wie es der junge Mann vorgeschlagen hat. Es gibt bestimmt viele Medikamente, die bei so einem ehrwürdigen Alter, anschlagen können. Vielleicht wird es teurer und geht nicht so schnell. Im Gegensatz zu den Menschen kann ich damit unsterblich werden, aber nur durch sie selbst.
Unwillkürlich musste ich an das Gespräch vor wenigen Wochen denken, das ich mit der Orangerie geführt hatte. In ihrer unmittelbaren Nähe haben meine Freunde vom Teehaus Förderverein einen modernen Musikpavillon bauen lassen.
Ich kann ihn selbst nicht sehen und muss mich auf Teehaus und Orangerie verlassen, wenn sie ihn mir beschreiben. Klein aber fein, hat ihn das Teehaus genannt und kann die Meinungen einiger Menschen nicht nachvollziehen, denen sein Aussehen stört
Sicher ist manches nachvollziehbar, wenn man den Musikpavillon vor Augen hat, der 1932 im Auftrag des Altenburger Konditormeisters Walter Volkstädt, erbaut wurde. Wir waren da gerademal 220 Jahre alt.
1992, nach nur 80 Jahren wurde er wieder abgerissen. Keiner hat ihm nachgetrauert.
Historie und Gegenwart sollen im Teehaus Komplex eine Synthese bilden, sagt die Orangerie. Der Pavillon ist Gegenwart und wir Drei sind Historie. Na, ein Glück für uns.
Vielleicht gibt es viele, ganz viele Menschen die mir helfen wollen, unsterblich zu werden. Wenn sie mir Geld schenken, damit das Wahrheit werden kann. Für mich wären sie dann alle unsterblich, die dazu beitragen wollen.
Übrigens, die Menschen vom Teehaus Förderverein, nennen wir jetzt alle Drei, „Pflegefreunde“.