Portali 4

 

 

Freund oder Feind

 

Ich habe gar nicht geahnt, was der Besuch meines Chefs und zwei anderer Menschen im Herbst 2013 für Auswirkungen für meinen Nachbarn, den aufdringlichen Baum, hatten. Sie haben miteinander diskutiert und immer wieder auf den Stamm des Baumes und mein Fundament gezeigt. „ Der muss raus, sonst fällt „Portali“ mal ganz alleine um. Das muss schnell gehen und ein Antrag muss gestellt werden.“ Mein Chef schien „ keine Luft“ an seine Worte zu lassen.

Die anderen nickten teils zustimmend, aber auch bedenklich mit ihren Köpfen. Ich kenne Beide. Der eine ist Betriebsleiter für den ganzen Schlosskomplex  und den anderen Herrn  sehe ich immer, wenn Bäume verschnitten werden, Rasen gemäht wird, Laub abgefahren werden muss. Dafür ist er verantwortlich. Aber auch wenn Bäume gepflanzt oder gefällt werden.

Jetzt wussten wir beide, meinem Nachbar, den Baum, soll es an den „ Kragen“ gehen. Er wird gefällt werden, damit ich weiter leben darf. Was haben wir uns miteinander gestritten, wenn ich merkte, dass er seine Wurzeln immer weiter unter mein Fundament schob. Ich musste alle Kraft zusammen nehmen, um nicht aus den Fugen zu geraten.

Aber jetzt? Ich bekam ein richtig schlechtes Gewissen.

Ich weiß nicht einmal seit wann wir Nachbarn sind.

Ich kann mich nicht erinnern, dass er einmal gepflanzt wurde. Vielleicht hat ein anderer Baum  seinen Samen verloren und der Wind hat ihn dann, in unmittelbare Nähe meines Fundaments geweht.

Dann ist er groß und größer geworden und rücksichtsloser. Mit seinem Stamm hat er immer wieder versucht mein Mauerwerk zu zerstören. Wir sind wie siamesische Zwillinge an einer Stelle verwachsen.

Hätte der Samen nicht 10 Meter weiter weg von mir aufgehen können?

Es gab aber auch genügend Zeiten, an die ich mich gern erinnere und ich seine Nachbarschaft auch genossen habe.

Wenn die Sonne ganz erbarmungslos auf meinen Sandstein Sims herunter geprasselt ist. Dann hat er seine großen Äste über mich ausgebreitet und mir Schatten gespendet.

Wenn der Regen unaufhörlich versucht hat in die Risse meines Mauerwerkes einzudringen. Dann hat er mir, wie mit einem Regenschirm, Schutz gegeben.

Da war er mir wieder Freund. Konnte er es eigentlich verhindern, mir zu schaden? Was konnte er dafür, mein Nachbar zu werden? Nichts.

Wir sind doch eigentlich keine Feinde miteinander, sondern eine Zweckgemeinschaft die wir beide nicht beeinflussen konnten.

Er ist sogar etwas Besonderes. Für ihn reicht nicht nur eine Fällgenehmigung, nein es muss eine denkmalspflegerische Genehmigung sein. Und diese wird nur vom Landesamt für Denkmalspflege erteilt. Von einem Herrn Dr. Baumann ,der in meiner Erzählung noch oft eine Rolle spielen wird.

 

Wieder höre ich hässliche Motorengeräusche. Ein kranähnliches Gefährt und ein Auto mit zwei Arbeitern nähern sich uns.  Ich merke ein leichtes Zittern der Wurzeln unter meinem Fundament. Mein Nachbar, der Baum, akzeptiert die Entscheidung der Menschen, gegen ihn aber für mich. Seine Angst will er sich nicht anmerken lassen.

Als sich die Säge durch seinen Stamm frisst und er langsam zu Boden fällt berührt er mich noch einmal mit seinen Ästen, – ganz sanft, wie zum Abschied.

Stumm schaue ich auf den Stamm und die Äste, die von den Arbeitern Stück für Stück zu einem großen Stapel aufgeschichtet wurden.

Erst später habe ich aus einem Gespräch erfahren, dass er von einen jungen Ehepaar abgeholt wurde. Er hatte sich bereiterklärt, als Brennholz in deren Kamin für eine wohlige Wärme zu sorgen und sie haben dafür Geld für meine Operationen bezahlt.

Ein echter Freund, mein Baum.