Portali 2

 

Der Patient

Eigentlich sollte man auf die vielen Jahre, die man auf den Buckel hat, stolz sein. Wer wird  schon 300 Jahre? Ihr Menschen auf gar keinen Fall .

Im Gegensatz zu euch hätte ich ein ewiges Leben. Aber um das zu erreichen, bin ich auf euch angewiesen. Das will ich mal erklären.

Ich  habe vor kurzem einem Gespräch, zwischen zwei älteren Menschen, zugehört, die auf einer der neuen Bänke im Barockgarten saßen. Sie kommen fast jeden Tag, wenn es das Wetter zu lässt und sitzen immer auf der gleichen Bank. Gespendet von Dagmar Frederic, ist auf einem kleinen Schildchen zu lesen. Diese Frau  habe ich schon mehrmals im Schlosskomplex gesehen. Sie soll eine berühmte Sängerin sein.

Die Zwei haben sich über das Lieblingsthema vieler Menschen unterhalten, den Besuch bei ihren Ärzten. Erst habe ich sie gar nicht verstanden.  „ Mir tut schon viele Wochen mein Gerüst weh“, hat die eine gesagt. „Aber seit ich meinen Rollator habe,  kann ich mich wieder gut fort bewegen.“

Ich wäre ja froh, wenn ich ein Gerüst hätte. Dann wüsste ich, dass es mit meiner Sanierung voranginge. Mittlerweile ist mir bekannt, dass bei der Frau das Knochengerüst gemeint war.  Sie hatte nämlich weiter erzählt, dass es altersbedingt und nicht mehr reparabel sei. So die Diagnose des Arztes und sie war  gerade mal 80 Jahre alt.

Mein „Chef“ ist da mit seiner Diagnose über mich  wesentlich optimistischer. Wir haben uns am  10. Januar darüber unterhalten.

Er war mit einem Architekt bei mir. Sie haben mich von allen Seiten betrachtet, vermessen und mehrfach fotografiert. Bestandsaufnahme haben sie das genannt.

Meine Gesteinsherkunft wollten sie wissen, ob es bei mir schon frühere Restaurierungen gegeben hat. Ob ich mal einen Unfall gehabt hätte.

Na klar hatte ich einen. Da ist doch, vor mehr als 30 Jahren, ein Lastkraftwagen in meine rechte Seite gefahren. Ich bin noch jetzt mit zwei Brettern und einigen Schrauben bandagiert.

Wie groß ich bin und wie schwer wollten sie wissen, wie meine Haut noch beschaffen ist und was für eine Farbe ich einmal gehabt habe. Na, das sollen die nur selbst heraus finden.

Wie bei euch Menschen sollen auch bei mir Laboruntersuchungen gemacht werden, um eine geeignete Methode  für die Erprobung an einer Musterfläche, bei mir zu finden. Das verstehe ich nicht. Es soll um Reinigungsmittel, Fugenmörtel, Hydrophobierungsmittel und Mittel zur Festigkeit gehen.

Ich hoffe, es ist nichts Schlimmes.

Dann muss ich mich noch einer Schadensdiagnose unterziehen.

Mein Wasseraufnahmeverhalten, der Salzgehalt und der aktuelle Feuchtegehalt werden untersucht  Welcher biologischen Besiedlung mein Körper ausgesetzt ist und die Sorptionsfeuchte interessiert auch noch.

Erst danach wäre eine Schadensbewertung bei mir möglich.

Ich schaute argwöhnisch auf meine zwei Ersthelfer. Mein Chef beruhigte mich sofort und gab mir scherzhaft zu verstehen. „ Also mein Portali, die Lage ist ernst aber nicht hoffnungslos. Auf jeden Fall werden wir dich so hinbringen, das du weitere 300 Jahre überstehst.

Dann wurde er nachdenklich. „Wir können nicht auf öffentliche Fördermittel warten, sonst hast du wenige Chancen. Wir müssen jetzt auf die Menschen unseres Territoriums vertrauen, dass sie dir mit helfen“.

„Du bist in einer Situation wie bei Menschen, denen eine Krankenkasse die Leistungen für eine aufwendige Operation verweigert. Die brauchen auch das Geld Anderer.

Sei aber zuversichtlich, wir helfen dir dabei und du wirst wieder gesund“.

Na wenn ich so an mir herunter schau, mach ich mir schon um meine Gesundheit Sorgen. Mein Erscheinungsbild ist äußerst marode. Und wie ich abgenommen habe. Putz und Stück ist nur noch zu 50% vorhanden und meine Haut ist stark verwittert. Mein Ziegelmauerwerk, auf das ich immer so stolz war, sandet stark ab und an manchen Stellen ist das sogar ausgebrochen. Der Sturz über meinem Tor ist schon gar nicht mehr vorhanden. Der war aber auch schwer.

Was auch an meiner Gesundheit genagt hat, war das ständige auf und zu mit dem zweiflügligen Tor. Bis 1901 hatte ich ja Eines aus Holz. Es war nicht so schwer und ging leicht zu bewegen. Aber das Schmiedeeiserne was ich dann bekam, war einfach schlimm. Den Menschen hat es gefallen, es sah ja auch nicht schlecht aus. Doch meine Pfeiler, die es alles Ölen, nichts genutzt.

1950 war es auf einmal weg. Ich glaube, das war zu diesem Zeitpunkt als der LKW mir in die Seite gefahren ist. Wie schon gesagt, durch mein Alter kann ich mich nicht mehr so richtig erinnern. Vielleicht ist auch mein „ Gedächtnisziegelstein“ in Mitleidenschaft gezogen.

Ich bin nur neugierig, was die Menschen bei ihren Untersuchungen noch entdecken. Meine Pflegeeltern haben mir ja versprochen,- es wird alles gut. Sie sind überzeugt, viele andere Menschen zu finden, um durch ihre Spendenbereitschaft, die vielen notwendigen Operationen zu bezahlen.

Ich sag jetzt schon einmal –Danke.