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Autor: Uwe Burkhardt (Seite 2 von 2)

Geschichte von Portali – 3

Portali 4

 

 

Freund oder Feind

 

Ich habe gar nicht geahnt, was der Besuch meines Chefs und zwei anderer Menschen im Herbst 2013 für Auswirkungen für meinen Nachbarn, den aufdringlichen Baum, hatten. Sie haben miteinander diskutiert und immer wieder auf den Stamm des Baumes und mein Fundament gezeigt. „ Der muss raus, sonst fällt „Portali“ mal ganz alleine um. Das muss schnell gehen und ein Antrag muss gestellt werden.“ Mein Chef schien „ keine Luft“ an seine Worte zu lassen.

Die anderen nickten teils zustimmend, aber auch bedenklich mit ihren Köpfen. Ich kenne Beide. Der eine ist Betriebsleiter für den ganzen Schlosskomplex  und den anderen Herrn  sehe ich immer, wenn Bäume verschnitten werden, Rasen gemäht wird, Laub abgefahren werden muss. Dafür ist er verantwortlich. Aber auch wenn Bäume gepflanzt oder gefällt werden.

Jetzt wussten wir beide, meinem Nachbar, den Baum, soll es an den „ Kragen“ gehen. Er wird gefällt werden, damit ich weiter leben darf. Was haben wir uns miteinander gestritten, wenn ich merkte, dass er seine Wurzeln immer weiter unter mein Fundament schob. Ich musste alle Kraft zusammen nehmen, um nicht aus den Fugen zu geraten.

Aber jetzt? Ich bekam ein richtig schlechtes Gewissen.

Ich weiß nicht einmal seit wann wir Nachbarn sind.

Ich kann mich nicht erinnern, dass er einmal gepflanzt wurde. Vielleicht hat ein anderer Baum  seinen Samen verloren und der Wind hat ihn dann, in unmittelbare Nähe meines Fundaments geweht.

Dann ist er groß und größer geworden und rücksichtsloser. Mit seinem Stamm hat er immer wieder versucht mein Mauerwerk zu zerstören. Wir sind wie siamesische Zwillinge an einer Stelle verwachsen.

Hätte der Samen nicht 10 Meter weiter weg von mir aufgehen können?

Es gab aber auch genügend Zeiten, an die ich mich gern erinnere und ich seine Nachbarschaft auch genossen habe.

Wenn die Sonne ganz erbarmungslos auf meinen Sandstein Sims herunter geprasselt ist. Dann hat er seine großen Äste über mich ausgebreitet und mir Schatten gespendet.

Wenn der Regen unaufhörlich versucht hat in die Risse meines Mauerwerkes einzudringen. Dann hat er mir, wie mit einem Regenschirm, Schutz gegeben.

Da war er mir wieder Freund. Konnte er es eigentlich verhindern, mir zu schaden? Was konnte er dafür, mein Nachbar zu werden? Nichts.

Wir sind doch eigentlich keine Feinde miteinander, sondern eine Zweckgemeinschaft die wir beide nicht beeinflussen konnten.

Er ist sogar etwas Besonderes. Für ihn reicht nicht nur eine Fällgenehmigung, nein es muss eine denkmalspflegerische Genehmigung sein. Und diese wird nur vom Landesamt für Denkmalspflege erteilt. Von einem Herrn Dr. Baumann ,der in meiner Erzählung noch oft eine Rolle spielen wird.

 

Wieder höre ich hässliche Motorengeräusche. Ein kranähnliches Gefährt und ein Auto mit zwei Arbeitern nähern sich uns.  Ich merke ein leichtes Zittern der Wurzeln unter meinem Fundament. Mein Nachbar, der Baum, akzeptiert die Entscheidung der Menschen, gegen ihn aber für mich. Seine Angst will er sich nicht anmerken lassen.

Als sich die Säge durch seinen Stamm frisst und er langsam zu Boden fällt berührt er mich noch einmal mit seinen Ästen, – ganz sanft, wie zum Abschied.

Stumm schaue ich auf den Stamm und die Äste, die von den Arbeitern Stück für Stück zu einem großen Stapel aufgeschichtet wurden.

Erst später habe ich aus einem Gespräch erfahren, dass er von einen jungen Ehepaar abgeholt wurde. Er hatte sich bereiterklärt, als Brennholz in deren Kamin für eine wohlige Wärme zu sorgen und sie haben dafür Geld für meine Operationen bezahlt.

Ein echter Freund, mein Baum.

Geschichte von Portali – 2

Portali 2

 

Der Patient

Eigentlich sollte man auf die vielen Jahre, die man auf den Buckel hat, stolz sein. Wer wird  schon 300 Jahre? Ihr Menschen auf gar keinen Fall .

Im Gegensatz zu euch hätte ich ein ewiges Leben. Aber um das zu erreichen, bin ich auf euch angewiesen. Das will ich mal erklären.

Ich  habe vor kurzem einem Gespräch, zwischen zwei älteren Menschen, zugehört, die auf einer der neuen Bänke im Barockgarten saßen. Sie kommen fast jeden Tag, wenn es das Wetter zu lässt und sitzen immer auf der gleichen Bank. Gespendet von Dagmar Frederic, ist auf einem kleinen Schildchen zu lesen. Diese Frau  habe ich schon mehrmals im Schlosskomplex gesehen. Sie soll eine berühmte Sängerin sein.

Die Zwei haben sich über das Lieblingsthema vieler Menschen unterhalten, den Besuch bei ihren Ärzten. Erst habe ich sie gar nicht verstanden.  „ Mir tut schon viele Wochen mein Gerüst weh“, hat die eine gesagt. „Aber seit ich meinen Rollator habe,  kann ich mich wieder gut fort bewegen.“

Ich wäre ja froh, wenn ich ein Gerüst hätte. Dann wüsste ich, dass es mit meiner Sanierung voranginge. Mittlerweile ist mir bekannt, dass bei der Frau das Knochengerüst gemeint war.  Sie hatte nämlich weiter erzählt, dass es altersbedingt und nicht mehr reparabel sei. So die Diagnose des Arztes und sie war  gerade mal 80 Jahre alt.

Mein „Chef“ ist da mit seiner Diagnose über mich  wesentlich optimistischer. Wir haben uns am  10. Januar darüber unterhalten.

Er war mit einem Architekt bei mir. Sie haben mich von allen Seiten betrachtet, vermessen und mehrfach fotografiert. Bestandsaufnahme haben sie das genannt.

Meine Gesteinsherkunft wollten sie wissen, ob es bei mir schon frühere Restaurierungen gegeben hat. Ob ich mal einen Unfall gehabt hätte.

Na klar hatte ich einen. Da ist doch, vor mehr als 30 Jahren, ein Lastkraftwagen in meine rechte Seite gefahren. Ich bin noch jetzt mit zwei Brettern und einigen Schrauben bandagiert.

Wie groß ich bin und wie schwer wollten sie wissen, wie meine Haut noch beschaffen ist und was für eine Farbe ich einmal gehabt habe. Na, das sollen die nur selbst heraus finden.

Wie bei euch Menschen sollen auch bei mir Laboruntersuchungen gemacht werden, um eine geeignete Methode  für die Erprobung an einer Musterfläche, bei mir zu finden. Das verstehe ich nicht. Es soll um Reinigungsmittel, Fugenmörtel, Hydrophobierungsmittel und Mittel zur Festigkeit gehen.

Ich hoffe, es ist nichts Schlimmes.

Dann muss ich mich noch einer Schadensdiagnose unterziehen.

Mein Wasseraufnahmeverhalten, der Salzgehalt und der aktuelle Feuchtegehalt werden untersucht  Welcher biologischen Besiedlung mein Körper ausgesetzt ist und die Sorptionsfeuchte interessiert auch noch.

Erst danach wäre eine Schadensbewertung bei mir möglich.

Ich schaute argwöhnisch auf meine zwei Ersthelfer. Mein Chef beruhigte mich sofort und gab mir scherzhaft zu verstehen. „ Also mein Portali, die Lage ist ernst aber nicht hoffnungslos. Auf jeden Fall werden wir dich so hinbringen, das du weitere 300 Jahre überstehst.

Dann wurde er nachdenklich. „Wir können nicht auf öffentliche Fördermittel warten, sonst hast du wenige Chancen. Wir müssen jetzt auf die Menschen unseres Territoriums vertrauen, dass sie dir mit helfen“.

„Du bist in einer Situation wie bei Menschen, denen eine Krankenkasse die Leistungen für eine aufwendige Operation verweigert. Die brauchen auch das Geld Anderer.

Sei aber zuversichtlich, wir helfen dir dabei und du wirst wieder gesund“.

Na wenn ich so an mir herunter schau, mach ich mir schon um meine Gesundheit Sorgen. Mein Erscheinungsbild ist äußerst marode. Und wie ich abgenommen habe. Putz und Stück ist nur noch zu 50% vorhanden und meine Haut ist stark verwittert. Mein Ziegelmauerwerk, auf das ich immer so stolz war, sandet stark ab und an manchen Stellen ist das sogar ausgebrochen. Der Sturz über meinem Tor ist schon gar nicht mehr vorhanden. Der war aber auch schwer.

Was auch an meiner Gesundheit genagt hat, war das ständige auf und zu mit dem zweiflügligen Tor. Bis 1901 hatte ich ja Eines aus Holz. Es war nicht so schwer und ging leicht zu bewegen. Aber das Schmiedeeiserne was ich dann bekam, war einfach schlimm. Den Menschen hat es gefallen, es sah ja auch nicht schlecht aus. Doch meine Pfeiler, die es alles Ölen, nichts genutzt.

1950 war es auf einmal weg. Ich glaube, das war zu diesem Zeitpunkt als der LKW mir in die Seite gefahren ist. Wie schon gesagt, durch mein Alter kann ich mich nicht mehr so richtig erinnern. Vielleicht ist auch mein „ Gedächtnisziegelstein“ in Mitleidenschaft gezogen.

Ich bin nur neugierig, was die Menschen bei ihren Untersuchungen noch entdecken. Meine Pflegeeltern haben mir ja versprochen,- es wird alles gut. Sie sind überzeugt, viele andere Menschen zu finden, um durch ihre Spendenbereitschaft, die vielen notwendigen Operationen zu bezahlen.

Ich sag jetzt schon einmal –Danke.

Geschichte von Portali – 1

Portali 3Der Hilferuf

Hallo, liebe Menschen, ich bin „ Portali“, das Eingangsportal, durch das ihr schreitet, um in das neu gestaltete Teehaus und die Orangerie zu gelangen. Denen sieht man jetzt ihre 300 Jahre nicht mehr an, seit man jahrelang an ihnen gebaut, gewerkelt, geputzt und gestrichen hat.

Mir aber schon. Seit 1712 stehen wir gemeinsam im Altenburger Schlosskomplex und haben schon viel erlebt.

Ach, was für Zeiten waren das  und was haben wir alles gesehen?

Junge Mädchen, in wunderschöner barocker Garderobe. Kokettierend drehten sie ihre Schirme, die sie vor der Sonne schützten, beim Flanieren im Park. Unverhohlen und kichernd, machten sie sich über manch schmachtende  Blicke  junger Männer, lustig.

Ich hatte gerade mein hölzernes Tor ganz weit geöffnet, um Soldaten in den Schlosspark zu lassen. Immer wenn große Festlichkeiten im Schloss anstanden, wurden sie aus der Kaserne beordert, um der Dienerschaft zu Händen zu gehen. Das kam oft vor und war für die Mädchen immer eine willkommene Abwechslung. Da waren schon fesche Mannsbilder dabei.

Welch hektisches Treiben war das immer?

Gerade hatte ich das Tor wieder geschlossen, kamen die Gärtner und karrten auf hölzernen Wagen viele Kübel mit Orangenbäumchen in den Schlossgarten. Der Herzog hatte wieder mal eine Idee und der  Hofgärtner musste sie umsetzen. Das ist aber heute, im 21. Jahrhundert sicher nicht anders.

Ich weiß gar nicht mehr wie viel Kübel das waren, mindestens 100. Oder nur 80? Ich kann mich nicht genau erinnern, das war vor mehr als 100 Jahren und da ist es mit dem Erinnerungsvermögen nicht mehr so gut bestellt.

Manchmal taten sie mir schon leid, der Hofgärtner und seine Gehilfen. Im späten Herbst mussten dann alle Kübel wieder in die Orangerie geschleppt werden, um sie vor den nahenden Frost, zu schützen.

Was war das für ein Gefühl, wenn die Pferde durch mein Tor, auf den gepflasterten Weg am Teehaus und Orangerie vorbei, zur  Reithalle geführt wurden.  Herrlich, diese Geräusche von klappernden Hufen und jetzt?

Jetzt rollen Autos durch mein Tor und ich habe immer Angst, dass  mich wieder irgendwer verletzt und ich das Gleichgewicht verlieren könnte. Und der Gestank von Diesel und Benzin, einfach ekelhaft.

Ich schaute zur Orangerie hinüber und erinnerte mich, welch bewegte Zeiten die auch schon hinter sich gebracht hatte.

Wir sind gerade 240 Jahre geworden, da zogen ältere Menschen in Scharen, zu ihr.

Volkssolidarität nannte sich das wohl, die sich die Orangerie zu einen Senioren Klub  her gerichtet hatten. Es war ein Verein mit tausenden Mitgliedern und viele davon kamen jeden Tag. Sie aßen gemeinsam Mittag, sangen zusammen und tanzten mehrmals in der Woche.

Ich erinnere mich noch an eine blutjunge Frau, wie gesagt, ich war schon 240 Jahre und sie vielleicht 58. Alle  Besucher dieses Vereins kannten sie, die Frau?  Frau? Frau? Na ich komme noch drauf,  sie nannten sie nur beim Vornamen und an den kann ich mich erinnern,… Helga.

Ich sehe noch die Leute vor mir, sie konnten gar nicht schnell genug in den Klub gehen, wenn die Mittagszeit heran war. Wehe es saß schon jemand auf deren angestammten Platz, dann ging ein Streit los und beruhigte sich erst, als Helga mit erhobenem Zeigefinger dazwischen ging. Dann huschte ein Lächeln über deren Gesicht, sie nahm ihr Schifferklavier  zur Hand und los ging`s. Sie spielte und sang ihren Gästen was vor und alle sangen mit. „Auf der Reeperbahn nachts um halb Eins“. Hans Albers wäre neidisch geworden. So ging es fast jeden Tag.

Bis 1992, dann wurde es still, ganz still.

Vor allem, um mich.

Jetzt schauen Teehaus und Orangerie geringschätzig zu mir herüber. Als gehöre ich nicht mehr zu ihnen. Na klar, sie sind ja schön heraus geputzt  wurden, bloß an mich hat keiner gedacht. Mein Aussehen ist nicht mehr mit ihnen zu vergleichen. Wenn ich deren  spöttischen Blicke spüre, könnte ich vor Wut meine Vasen vom Sockel schmeißen.

Ich komme mir vor, wie  Menschen, die auf andere herabschauen, nur weil diese es sich nicht leisten können, in Markenartikeln herum zu laufen.

Gehen doch im September des vergangenen Jahres vier Schulmädchen an mir vorbei. Sie kamen aus der Schule, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft befindet. Drei von ihnen, machten sich über das vierte Mädchen lustig, weil diese eine Jeanshose trug, die sie schon vor den Ferien getragen hatte. Nein, nein, sauber war die Hose schon, aber nicht von einer Markenfirma und das war Ausdruck für Armut.

Mir geht es ja zu Zeit auch nicht anders.

Kaum jemand beachtet mich und wenn, dann nur um zu sagen, was man von mir hält.

Erst neulich habe ich ein Gespräch gehört, als Menschen im Teehaus ihre Hochzeit gefeiert haben. Viele von ihnen schauten vom Altan des Teehauses auf mich herunter und ihre Bemerkungen verletzten mich.

„ Na schaut euch doch das alte Wrack an, hoffentlich fällt es nicht um, wenn wir beim feiern, die Musik lauter drehen.“

Die haben ja recht, der alte Baum neben mir der buddelt seine Wurzeln unter mein Fundament, dass ich mich kaum noch halten kann. Der findet sich wichtiger als ich und denkt, er sei der Mittelpunkt.

Ich kann nicht von mir behaupten glücklich zu sein.  Überall zwickt es, bei mir bröckelt förmlich der Putz ab und die Sandstein Vasen auf mir, drücken  bald die Ziegelsteine aus meiner rissigen Haut.

Na ja, das Teehaus und die Orangerie haben Glück gehabt. Hätte es 2004 nicht Menschen gegeben die sich zu einem Verein zusammengeschlossen haben, die  verhindern wollten, dass es beiden so geht, wie mir jetzt. Den Zweien regnet es zwar nicht mehr ins Körperinnere, aber sie tragen vor Stolz die Nasen so hoch, dass es ihnen bald hinein regnet.

Jetzt aber habe ich wieder Hoffnung. Meine Pflegeeltern haben mir versprochen, dass ich auch bald wieder schön aussehen werde und denen kann man vertrauen. Kurz vor meinem dreihundertsten Geburtstag haben sie versprochen, sich um das Äußere unseres Komplexes zu kümmern und da gehöre ich ja dazu.

Ach ihr kennt die gar nicht?

Das ist der neue Teehaus Altenburg Förderverein e. V., den kennt  eigentlich Jeder und dessen Chef ist jetzt auch mein Chef, nur damit ihr wisst, mit wem ich mich immer unterhalte.

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